1998

Glückliche Zeiten

Autor: Alan Ayckbourn Bühnenbild: Ben de Graaff Regie: Peter Züsli

Alan Ayckbourn schuf mit dem Stück "Glückliche Zeiten" eine humorvolle Abrechnung mit dem vielbeschworenen Segen der Familie. Anhand von drei Paaren, die sich zur Geburtstagsfeier im trauten Kreis der lieben Familie in einem Restaurant zusammenfinden, zeichnet er eine bissigböse Gesellschaftssatire, die wohl vielen die Gelegenheit zum herzlichen Lachen über sich selbst geben dürfte.

Die Eltern, Gerry und Laura, bilden das Rückgrat des scheinbar so liebenswerten Familienclans. Und zumindest nach aussen besteht kein Zweifel daran, dass Gerry nicht nur der Boss einer angesehenen Firma, sondern auch seiner Familie ist. Ob Sohn Georg, den er mit dem sanften Druck unerschütterlichen Familiensinns zwingt, bei seiner Frau Stephanie zu bleiben, oder "Mamas Liebling" Adi, dessen neueste Errungenschaft Maureen die Party nicht nur wegen ihrer unpassenden Aufmachung zu sprengen droht - sie alle scheint er fest im familiären Griff zu haben. Doch in meisterhaft konstruierten Vor- und Rückblenden zeigt sich, dass die Wirklichkeit ganz anders aussieht, als es zunächst der friedliche Anschein hat. Denn untereinander ist diesen Paaren jedes Gefühl für Takt und Verständnis abhanden gekommen. Mit kleinen Sticheleien, die winzige, aber dauerhafte Wunden setzen, tauscht man nette Bösartigkeiten und artige Gehässigkeiten aus. Und unter dem sorgfältig konstruierten Netz familiärer Verbundenheit und selbstgefälligem Wohlstandsdünkel offenbart sich die Verlogenheit nicht hinterfragter Moral.

Gedanken des Regisseurs

"Jeder Augenblick ist bereit, ein Höchstes zu geben; man muss es nur empfangen können. Dieses empfangen Können - das ist das höchste Wissen." (Ludwig Hohl)

Vor zwei Jahren durfte ich die Geschichte der Familie Hase auf die Stanser Bühne bringen. Dieses Jahr dreht sich alles um die Familie Strasser. Wieder eine Familiengeschichte! Zufall oder Programm? Ich weiss es nicht! Glück? Vielleicht! Jedenfalls bringt das neue Stück jede Menge Identifikationsmöglichkeiten. Wer kennt nicht das Gefühl des Zukurzkommens, des Verlassenseins, der Konkurrenz, der Eifersucht, der Liebe, des Hasses? Und vor allem, wer kennt nicht die Sehnsucht nach Glück? Alles Grunderfahrungen, die wir in der Zwangsgemeinschaft Familie machen und verinnerlichen. In "Glückliche Zeiten" können wir Einblick nehmen in die Zukunft und die Vergangenheit der Familie Strasser. Dazwischen werden wir aber immer wieder mit der Gegenwart konfrontiert und müssen mitansehen, wie die handelnden Figuren aus ihren engen Blickwinkeln heraus miteinander umgehen und auf der Suche nach glücklichen Momenten die Gegenwart verpassen.

Das solche Perspektiven im Theater möglich sind, fasziniert mich.

Dass ich für das "echte" Leben daraus lernen kann, glaube ich.

Dass der heutige Abend für Sie ein glücklicher Moment wird, hoffe ich.

Peter Züsli