1997

Andorra

Regie: Rupert Dubsky Autor: Max Frisch Bühnenbild: Rupert Dubsky

Frischs "Andorra" ist eines der bedeutensten deutschen Theaterstücke der Nachkriegszeit und einer der grössten Publikumserfolge in den ersten Jahren nach seiner Uraufführung. Es wurde in einer Zeit aufgeführt, in der man von der Nazizeit und ihren Verbrechen nichts mehr wissen wollte und diese schreckliche Vergangenheit verdrängte. Frisch erinnert in seinem Stück an diese Zeit und zeigt, wie die menschliche Neigung in Vorurteilen zu denken und entsprechend zu handeln, zu Hass, Gewalt und Vernichtung des andern führt sowie mit Schuldverdrängungen verbunden ist. Das historische Problem, auf das er sich bezieht, der Antisemitismus, war in der Vergangenheit und ist auch heute nicht gesellschaftlich und politisch von Bedeutung. Aber dieses Problem ist für Frisch darüber hinaus ein Beispiel für Zusammenhänge, die unseren täglichen Umgang mit anderen Menschen betreffen und deshalb immer aktuell sind:

Wir machen uns wie Frisch sagt, "Bildnisse" von unseren Mitmenschen und zwingen sie dadurch in Rollen, die ihrem Wesen nicht gemäss sind.

Wir entwickeln oft - vorwiegend negative- Vorurteile gesellschaftlichen Gruppen, Minderheiten gegenüber, die diese diskriminieren. Man denke z.B. an Gastarbeiter, Asylbewerber, Angehörige anderer Rassen und Religionen.

Wir projizieren oft unsere schlechten Eigenschaften in die anderen hinein und benutzen diese als
"Sündenbock".

Wir sind meist nicht bereit, die Unsinnigkeit dieser Vorurteile zu erkennen, da deren Wurzeln im Bereich der Affekte liegen. Wir erkennen nicht , dass diese Vorurteile oft der erste Schritt auf einem Wege sind, der zu Gewalt und Vernichtung des andern führen kann.

Wir sind meist nicht willens, uns mit unserem schuldhaften Verhalten auseinanderzusetzen, sondern verdrängen es lieber und laden so neue Schuld auf uns.

Frisch will mit seinem Drama zur Überwindung von Klischees und Feindbildern auffordern, die nicht nur den andern in seinem Wesen vergewaltigen, sondern auch darüber hinaus das Zusammenleben der Menschen erschweren und sogar unmöglich machen können.