1976

Die Heiratsvermittlerin

Autor: Thornton Wilder Regie: Eugen Victor Bühnenbild: José de Nève

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1. Akt
Der Gemischtwarenhändler Zacharias Pfefferkorn hat Ärger mit seiner Nichte Hildegard, die den Künstler Ambros Klecks heiraten will. Er will Hildegard daher in die Stadt zu einer Freundin seiner verstorbenen Frau bringen lassen, wo sie Ambros vergessen soll.
Pfefferkorn hat selbst Heiratsabsichten und will in der Stadt seine Auserwählte, Frau Isabella Federgupf, besuchen. Nora Edelfink, eine Freundin des Hauses, ist über den Entschluss von Pfefferkorn überrascht, hat sie doch für ihn scheinbar eine andere «ausgewählt». Nora Edelfink und Zacharias Pfefferkorn einigen sich, zuerst Frau Federgupf zu besuchen und nachher die «andere» zum Nachtessen einzuladen. Vor seiner Abreise in die Stadt befördert Pfefferkorn seine beiden Gehilfen Severin Seiler und Konrad Knorr zum 1. und 2. Kommis. Er will ihnen das Geschäft für die Zeit seiner Abwesenheit überlassen. Doch Seiler und Knorr beschliessen statt dessen heimlich in die Stadt zu gehen, um ein Abenteuer zu erleben.

2. Akt
In der Stadt beginnen die Abenteuer vorerst damit, dass Seiler und Knorr vor Pfefferkorn flüchten müssen. Sie geraten dabei in den Hutladen von Isabella Federgupf und werden ausgerechnet dort von Nora Edelfink und Zacharias Pfefferkorn überrascht. Es gelingt ihnen jedoch, sich zu verstecken und unentdeckt zu bleiben. Das Treffen zwischen Frau Federgupf und Pfefferkorn endet unvorhergesehen. Isabella Federgupf und ihre Assistentin, Jutta Seidenband, fordern die sich als reiche Herren ausgebenden Gehilfen Seiler und Knorr auf, sie ins Nobel-Restaurant «Harmonie» auszuführen.

3. Akt
Zacharias Pfefferkorn, ebenfalls im Restaurant «Harmonie» verabredet, wird bei der Bestellung des Nachtessens unerwartet durch den Auftritt von Nora Edelfink, Hildegard und Ambros Klecks gestört. Pfefferkorn beauftragt einen Kutscher, das Liebespaar Hildegard und Klecks zu Flora Blumenblatt, einer Freundin der verstorbenen Frau Pfefferkorn, zu bringen. In der Zwischenzeit treffen auch Isabella Federgupf, Jutta Seidenband mit den beiden Gehilfen, Severin Seiler und Konrad Knorr ein. Da das Lokal von Pfefferkorn reserviert worden ist, entsteht vorerst ein Grosskampf um Tische und Plätze. Dieses Ringen wird durch den erneuten Auftritt von Pfefferkorn brüsk beendet und eine spanische Wand rettet für den Moment die Situation, vor allem für Severin Seiler, der durch eine von Pfefferkorn verlorene Geldtasche, die ihm irrtümlich zugespielt wird, den Schein des grossen Herrn wahren kann. Auf der einen Seite der spanischen Wand wartet Pfefferkorn vergebens auf seine von Nora Edelfink ausgewählte Geliebte, während auf der anderen Seite die beiden Pärchen immer intimer werden. Beim Tanz erkennt Zacharias seine Gehilfen und auch die beiden Damen. Die Katastrophe scheint unausweichlich.

4. Akt
Severin Seiler und Konrad Knorr (in Juttas Kleidern) werden vom Kutscher irrtümlicherweise zu Flora Blumenblatt gebracht, die sie für Hildegard und Ambros Klecks hält. Kurz darauf treffen die richtige Hildegard und der richtige Ambros ein. Etwas später bringt Nora Edelfink die beiden Damen vom Hutladen, Isabella Federgupf und Jutta Seidenband. Und zu allem Überfluss trifft gleich darauf auch noch Zacharias Pfefferkorn ein und bringt grosse Aufregung ins Haus. Um so überraschender kommt die grosse Versöhnung!

Zur Inszenierung
Wir sind dem Grundsatz der letzten Jahre treu geblieben und haben auch von diesem Stück eine Dialektfassung erstellt. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass der Dialekt eine gelöstere, entkrampftere, natürlichere und damit bessere Spielweise ermöglicht.
Unsere Fassung ist gegenüber dem Original (Deutsche Übersetzung von Hans Sahl) erheblich gekürzt (die Uraufführung von Wilders Stück soll 4.5 Stunden gedauert haben!). Dafür haben wir Musik und Gesang eingebaut, zwei Elemente, die die Aufführung unserer Meinung nach abwechslungsreicher und interessanter machen und auch die Beziehung zum «Jux» von Nestroy herstellen.
Wilder nennt sein Stück eine Farce. Trotzdem scheint uns die Bezeichnung Komödie für diese Fassung zutreffender. Typische Sprachgebräuche aus dem Angelsächsischen lassen sich nur schwer in andern Formen wieder geben! Wichtig ist unserer Meinung nach, dass der literarische Wert unverfälscht dem breiteren Publikum ohne Fachausbildung nahegebracht werden kann und vielleicht den Appetit auf mehr literarische Leckerbissen erweckt, um so höhere Ansprüche in steigendem Masse bewirken zu können.
Dies ist auch eine wichtige Aufgabe des Laientheaters allgemein, das dank der ausserordentlichen Spielfreude und Einsatzbereitschaft seiner Mitwirkenden, begeisterte Anteilnahme am Theatergeschehen erwecken kann! Allerdings nur dann, wenn es, unter Bedachtnahme auch auf den gesellschaftlichen Aspekt solcher Aufführungen, das Gros des Publikums - ohne abschreckende Erziehungsmethoden, die erfahrungsgemäss das Gegenteil bewirken - langsam an die «feinere Kost» gewöhnt und den Geschmack spezifiziert. Dabei sollte man das allgemein etwas vernachlässigte Gebiet der anspruchsvollen Unterhaltung besonders ernst nehmen!

Der Lebenslauf der «Heiratsvermittlerin»
Dem Stück «Die Heiratsvermittlerin» von Thornton Wilder liegt Johann Nestroys Posse «Einen Jux will er sich machen» (Uraufführung in Wien 1842) zu Grunde. Die Nestroy-Fassung ging übrigens im Jahre 1957 über die Stanser Bühnenbretter. Nestroys Posse wiederum geht auf John Oxenfords Lustspiel «A well Spent Day» («Ein wohlverbrachter Tag») zurück.
Der englische Titel des Stückes heisst «The Miatchmaker». Aus der Textvorlage von Thornton Wilder entstand das Musical «Hallo Dolly» von Jerry Hermann (Uraufführung in New York 1964).
Das Grundthema hat also einen weiten Weg hinter sich. Jeder Autor hat den Stoff seinen eigenen Empfindungen und Vorstellungen entsprechend geformt, so dass sich das Stück über viele Generationen hinweg zu halten vermochte.
Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen der Fassung von Nestroy und Wilder? Nebst einigen grundsätzlichen Änderungen scheint uns das Wilder-Stück vor allem sprachlich unserem heutigen Geschmack entsprechender. Die Handlung ist logischer und dramaturgisch besser gegliedert und bietet sich uns intimer gestaltet dar. Einzelne Rollen sind charakteristischer gezeichnet. Auf jeden Fall hat Wilder mit der «Heiratsvermittlerin» bewiesen, dass er auch diese Sparte seines Handwerkes ausgezeichnet versteht, obwohl das Schwergewicht seiner Stücke eher in der Art von «Unsere kleine Stadt» liegt.