1968

Der liebe Augustin

Autor: Leo Fall Regie: Nils Kerkenrath Bühnenbild: Paul Stöckli

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Zur Operette «Der liebe Augustin»

Das Rokoko, in dem an kleinen und kleinsten Fürstenhöfen ein ungeheuerlicher Aufwand getrieben wurde, hatte sich knapp überlebt. Die Herren in irisierenden seidenen Kavalierskostümen, in schimmernden Seidenhöschen, Seidenstrümpfen und Lackschuhen, dass sie aussahen wie Porzellan-Liliputaner, und die Dämchen auf stelzenhohen Stifeletten, in Taillen, die durch Fischbein-Korsetts aufs Engste zusammengeschnürt waren und Krinolineröcken über riesigen Drahtgestellen, waren nicht zur Arbeit fähig gewesen. Diese Kleidung war nicht als unerklärliche Laune, sondern als Demonstration der gehobenen Stände verständlich. Schon infolge der Kleidung ging ein scharfer Trennungsstrich durch das Volk, ein Schnitt in Geisteshaltung, Lebensstil, Zeitauffassung, Ethik und Moral. Das Rokoko war eine höfische Epoche.

In der Zeit des «Lieben Augustin» war diese Erscheinung der Kleidung zwar vorbei, aber an den kleinen Höfen geisterte die Haltung des nutzlos zum Vergnügenlebens noch immer in den Köpfen herum. Der einfache Bürger, der langsam zu Reichtum kam, trotzdem er von vielen und unmöglichen Steuern gedrückt wurde, gewann stetig an Selbstvertrauen. Man schimpfte über die Steuern, handelte sich immer mehr politische Rechte ein, lächelte und lachte über das geistlose Regierertum an den verarmten Fürstenhöfen. Der Einfluss der Höfe schwand und in Erzählungen und Schwänken wurde die vergangene Epoche verspottet.

Wie damals wirkt auch heute das Lachen tödlich. Wir lachen über unpersönliche Gesellschaftsformen, über diejenigen, die mehr scheinen wollen, als sie sind, über die Tölpelhaftigkeit der Andersgearteten. Wir haben eine Lach- und Kritikastersucht entwickelt, die vom höchsten Mann im Staat bis zu jedem von uns hinreicht.

Beim «Lieben Augustin» lachen wir unbeschwert, unängstlich, dass es uns selber trifft. Dies will Ihnen das Stanser-Theater bieten. Sie sollen bei uns fröhliche Stunden unbeschwerter Heiterkeit erleben.


Erster Akt.
Am Hof von Thessalien sieht es bedenklich nach völligem Bankrott aus. Der lebenslustige Fürst Bogumil macht sich allerdings trotz Geldmangel und Pfändung im Schloss keine allzugrossen Sorgen. Noch gibt es vielleicht eine Rettung, wenn nämlich Prinzessin Helene den Fürsten Nicola heiratet. Der ist zwar sein Todfeind und hat ihn einmal durch einen Staatsstreich in arge Not gebracht, aber er ist halt reich! Freilich, wenn er an die schaurige Nacht vor zwanzig Jahren denkt, in der er fliehen musste, an jene Nacht, in der dann Helene zur Welt kam und auch dem Kammerdiener Jasormirgott eine Tochter geboren wurde da wird ihm noch heute heiss; doch die Apanage (standesherrliche Rente), die ihm Nicola für die Überlassung des Throns zubilligen wird, ist nicht zu verachten. Nur Helene ist nicht einverstanden, weil sie ihren Musiklehrer Augustin Hofer innig verehrt. Der ist aber mit der kapriziösen Anna, der Tochter Jasomirgotts, verlobt. Anna aber dünkt sich immer etwas Besseres und will vom bürgerlichen Augustin nichts wissen. Auch Augustin findet an Anna wenig Gefallen und fühlt sich zu Helene hingezogen. Ein Fürstenkind ist aber für den Musiker unerreichbar und so müssen sie sich dem Willen des Fürsten Bogumil fügen.

Zweiter Akt.
Fürst Nicola ist eingetroffen: ein kalter, leerer Formenmensch, der nur ehrgeizig auf den mit seinem Reichtum erkauften Thron lauert. Trotzig begehrt Helene gegen ihn auf. Nicola schäkert mit Anna. Um sie in ständiger Nähe zu haben, ernennt er sie zur Ehrendame seiner künftigen Gattin. Helene wendet sich an Augustin und sagt ihm, dass sie am liebsten mit ihm nach Wien ginge, um dort mit ihm unter einfachsten Lebensbedingungen zusammen zu sein. Zufällig erfährt nun Augustin, dass Nicola den Fürsten Bogumil um seine Apanage prellen und sich ausserdem eine Geliebte zulegen möchte. Jetzt will er eingreifen einen solchen Menschen darf Helene nicht heiraten! Er verständigt Jasomirgott, und dieser klärt Helene auf. Als sie bei der Verlobungsfeier sieht, dass Anna die ihr zugedachte «Ehrendame» ist, pariert sie die Beleidigung mit der Ernennung Augustins zu ihrem Ehrenkavalier.

Dritter Akt.
Im Vorhof des einstigen Stammschlosses der Fürsten von Thessalien, wo schon seit mehr als zwanzig Jahren likörbrauende Mönche hausen, soll die Hochzeit stattfinden. Hier war es auch, wo in jener Fluchtnacht Helene und Anna zur Welt kamen. Der Klosterpförtner erinnert sich noch gut daran und erzählt heute Bogumil und Jasomirgott, dass er damals an der neugeborenen Prinzessin ein Muttermal in Form eines Champagnerpfropfens gesehen habe. So kommt’s zutage, dass bei der Taufe die beiden Mädchen verwechselt wurden; denn Anna trägt ja dieses Muttermal, das in der fürstlichen Familie erblich ist. Bogumil will die überraschende Neuigkeit, dass Anna die Fürstentochter ist, geheimhalten, um die Hochzeit nicht zum Scheitern zu bringen. In dieser Situation sind alle unglücklich, bis Jasomirgott die Not beendet und den Mädchen die Wahrheit sagt. Nun führt Helene selbst die beglückte Anna dem Fürsten zu. Und Augustin und Helene schwärmen während der Hochzeit in seeliger Zukunftshoffnung.